Content Design von Weller und Harmanus ist eines der besten Bücher, das ich über Content Marketing bislang gelesen habe (und das sind einige!). Das Buch verfolgt einen systemischen Ansatz: Content muss nicht nur inhaltlich überzeugen, sondern auch im Design. In der Konsequenz stellen die Autoren das Thema unter verschiedenen Perspektiven dar.
Das Programm des Content Design
Das Programm wird bald zu Anfang definiert: “Das eigentliche Problem …. ist die fehlende Garantie dafür, dass der Nutzer unseren Content im Kontext der restlichen Website erlebt. Content muss daher bis in seine kleinste Form funktionieren – unabhängig von der Website als übergreifendes System.” (S.37) Auf die semiotischen Implikationen gehe ich noch in der abschließenden Kritik ein.
In den Grundlagen der Gestaltung gehen die Autoren auf einige wesentliche Aspekte der Designwirkung und der Farbpsychologie ein. Interessant ist, dass das 3. Kapitel auf klassische Elemente der Content Strategie verzichtet. Stattdessen steigen die Autoren direkt in strukturierte Content-Modelle wie das Help-Hub-Hero Modell, das FISH Modell (Mirko Lange) und das Polygon-Modell von Robert Weller. Dabei werden die in den Modellen enthaltenen Content-Formate überzeugend spezifischen Situationen zugewiesen, die in der Unternehmenskommunikation mit den Kunden eintreten – die sind bekanntlich immer auch an der sogenannten Customer Journey orientiert.
Kapitel 3 entfaltet dann zahlreiche Vorschläge zur Generierung verschiedener Medientypen Text – Bild – Video – Audio. Wie in einer Matrix ordnen die Autoren die Medientypen immer auch bestimmten Kanälen zu. Experten*innen geben zusätzliche Insights zu verschiedenen sozialen Kanälen. Ergänzt wird das Kapitel durch Vorstellung verschiedener Design-Tools. Dieser Buchteil ähnelt am ehesten den Standards anderer guter Content-Marketing Bücher.
Content Design entscheidet
Das Design entscheidet und das bis ins Detail. Daher wird im 4 Kapitel ein Thema ausführlich behandelt, das sonst im Content-Marketing häufig zu kurz kommt: wie gestalte ich eigentlich eine ansprechende Seite, die die User*innen auch zur Interaktion einladen. Zugegeben, gerade im Kampagnenmarketing standen Landingpages immer schon im Fokus; zur Gestaltung solcher Zielseiten gehen die meisten Darstellungen selten über allgemeine Standards hinaus.
“In diesem Kapitel zeigen wir Ihnen, mit welchen Mitteln Sie die Effektivität Ihrer Webseiten … im Hinblick auf Ihre Unternehmens(ziele) … verbessern. “Sie erfahren von uns, mit welchen Design-Kniffen und psychologischen Mitteln Sie ein überzeugendes Content-Design zusammenstellen, bei dem visuelle Elemente und Texte im Einklang stehen.” S. 379 Hier wäre allerdings auch schon eine Reflexion auf die Tatsache angebracht, dass Bildsprache semiotisch gesprochen schwach kodiert ist – die Semiose oder Interpretation also durchaus Gefahr läuft, je nach kultureller “Vorkodierung” der Zielgruppe, die Botschaft in der Text-Bild-Kombination zu verfehlen. Daher wäre aus meiner Sicht auch etwas Skepsis angebracht, ob ein Heroshot garantiert “sofort Klarheit über den Inhalte der Landing Page” verschafft. “Nutzen Sie die Macht der Bilder und Videos, um Ihre Zielgruppe auch emotional anzusprechen.” (S.395) Hier wäre eine tiefere Analyse der Bildwirkung und der Entfaltung der Bildbedeutung angemessen gewesen, die über bestimmte psychologische Standards hinausgeht.
Weller und Harmanus ziehen auf S. 501 noch einmal ihr Fazit, dass “ es auf “Blick auf die gesamte Content-Design-Erfahrung (ankommt). … Content Design ist eine Erfahrung, die … bei(m) … Unternehmenslogo anfängt, das Produkt formt und letztlich jegliche Kommunikation mit Ihrer Zielgruppe beeinflusst..”
Trotz meiner Einwände gilt: Eine solch akribische und vielschichtige Darstellung des Content-Designs wird man so schnell nicht wieder finden.
Ich möchte noch einen anderen Aspekt positiv hervorheben. Viele Texter*innen, die über Online-Marketing schreiben, schwingen den erhobenen Magister-Zeigefinger. Sie schreiben dringend und drängend, was man alles unbedingt tun muss und was man auf keinen Fall tun darf. Von dieser oberlehrerhaften Attitude heben sich die Autoren wohltuend ab. Wenn Sie empfehlen, geben sie Ratschläge und schreiben nicht im Stile der 10 Gebote.
Nach all dem Lob folgt noch eine abschließende Kritik. Dem Buch hätte eine akribische Schlussredaktion gut getan, es finden sich doch häufiger Druck- als auch grammatische Fehler darin. Ein Passus im Youtube-Kapitel wird fast wörtlich eine Seite weiter wiederholt. (S.194 und 197). Auf S. 528f wird die Kampagnenquelle als Tag zweimal gelistet – zumal schon an erster Stelle, die eigentlich dem Kampagnennamen gebührt.
Erweiterung des Content Design um semiotische Methoden im Kontext multimodaler Texte
An einem anderen Punkt kommen die Autoren m.E. auch an Grenzen, und zwar im Teil über die Wirkungsgesetze. Was wir auch immer über Farbpsychologie oder limbische Typologien erfahren – wir verbleiben doch immer innerhalb eines Codes, den wir mit diesen Methoden bestenfalls erweitern. So aber wird suggeriert, dass Wirkungsgesetze quasi einen naturwissenschaftlichen Status erlangt haben, ohne zu erkennen, dass die Vermittlung ihrer Inhalte und Erkenntnisse letztlich doch wieder im Netz unseres Kommunikationscodes gefangen bleiben. Eine semiotisch fundierte Analyse multimodaler Texte im Content-Marketing hätte das Buch methodisch deutlich bereichert.
Fazit: man befindet sich in diesem buch auf spannenden Spuren von Autoren, deren langjährige wie weitreichende Erfahrung im Content-Marketing und Design überzeugt.