Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken,
was nicht die Vorwelt schon gedacht.
Goethe, Faust II, VV 6809-10
Wertvoller Content wird gepriesen als die ultima ratio des digitalen Marketing. Allerdings frage ich mich, ob man dieser Wortkombination überhaupt einen Begriff unterlegen kann. Aber vielen Autoren*innen scheint das zu gelingen. Wenigstens suggeriert das die Abfrage bei Google: “wertvollen content” findet Google über 30.000 Mal, “wertvoller Content” in dieser Schreibweise immerhin noch 2.400 Mal.
Aber was ist wertvoller Content?
Nähern wir uns dem Begriff einmal mit folgender Überlegung. Wertvoll ist das, was knapp oder gar selten ist, und zugleich gefragt. Wenn das so ist, dann ist der Content über wertvollen Content wohl nicht wertvoll; denn 30.000 Fundstellen signalisieren wohl kaum Knappheit.
Der Wert von Content ist abhängig von der Lesesituation
Gehen wir das Thema von einer anderen Seite an. Man wird mir zustimmen, dass die Kenntnis eines Umtauschkurses zwischen Schweizer Franken und Britischem Pfund nicht per se zu wertvollem Content erklärt werden kann. Eine Eingabe bei Google “umrechnung schweizer franken britische pfund” liefert mir knapp 82.000 Ergebnisse. Und Google beantwortet mir die Frage auch direkt: Ein Schweizer Franken = 0,8 (20.07.2021) Pfund Sterling, ich muss noch nicht einmal mehr eine weitere Seite aufrufen. Als Wertpapierhändler, der binnen Sekunden über einen Kontrakt entscheiden soll, kann diese Information sehr wertvoll sein. Es kommt auf die Situation an.
Situationsbedingter Content-Wert
Der Wert von Inhalten hängt demnach von meiner Fragestellung ab und davon, wie dringend ich eine Information benötige. Wenn ich Pizzerien in Heidelberg suche, plane ich ggf. einen Besuch in der kommenden Zeit. Ich schicke also eine allgemeine Anfrage. Suche ich “gute pizzeria in der nähe”, dann habe ich wohl Hunger und brauche eine rasche und zielgenaue Antwort.
Welche Fragen beantwortet mein Inhalt?
Der Wert von Content dürfte sich also daran bemessen, inwieweit ein Text die Fragen des*r Lesers*in umfassend und effizient zugleich beantwortet. Es dürfte also generell hilfreich sein, seinen Inhalten einen klärenden Teaser voranzustellen: Welche Fragen beantwortet mein Content (und welche nicht)? Das hat auch sicher einen gewissen Effekt bei der SE-Optimierung (warum lese ich fast immer diese Redundanzformel SEO-Optimierung, was nichts anderes heißt als Search Engine Optimization Optimierung?).
Sichtbarkeit macht Content wertvoll
Content, den niemand findet, kann keine Wertschöpfung in Gang setzen. Also sollten die Texte zu finden sein. Aber nicht für jede x-beliebige Suchanfrage (was ohnedies nicht geht), sondern für die Frage, die der Suchende stellt. Auch deshalb sollten Metatags, Überschrift und Teaser die Frage-Antwort Dialektik entfalten, die Suchende zufrieden stellt. Wie schon oben angedeutet, werden das Longtail-Suchen sein, die in unterschiedlichen Formulierungen das Content-Thema umspielen. Das Tool answerthepublic ist hier sicher hilfreich, da es die möglichen Fragen rund um ein bestimmtes Thema gruppiert.
Wert ist auch eine Stilfrage
Ein Glas des bekannten Möbelhauses aus Schweden kostet zwischen einem und zwei Euro. Glas ist also zunächst ein günstiger Rohstoff. Das Glas einer bayerischen Glasbläsermanufaktur kostet das 40-50 fache. Nun ist sicher Glas nicht gleich Glas, was den Rohstoff angeht. Aber es ist eben auch eine Stilfrage, die den Wert ausmacht. Nur ist es schwieriger, einen Schreibstil zu beschreiben (oder gar vorzuschreiben) als ein Glas.
Selbstverständlich sollten Orthografie und Grammatik eines Textes korrekt sein. Aber das sind Formalitäten. Die klassische Rhetorik forderte einen Ausdruck: clare et distincte. Also klare und (begrifflich) präzise Schreibe. Die Autoren*innen sollten auf einen rhythmischen Textfluss sehen.
Wie kann ich den Wert meines Contents steigern?
Sebastian Lugert hat im Blog von Contentbird geschrieben, wie man Content wertvoller macht, hierauf nehme ich abschließend Bezug: https://blog.contentbird.io/de/content-marketing-konzept/
Unternehmen scheuen den berechtigt erwarteten Aufwand, den Content Marketing mit sich bringt. Sie müssen vom Nutzen erst einmal überzeugt werden. Ob allerdings (richtiges) Content-Marketing tatsächlich drei Mal mehr Leads einbringt als ein Euro im Advertising? Für drei Euro bekomme ich nicht unbedingt einen guten Text mit Bild.
Notabene: Sebastian schreibt nicht über wertvollen Content an sich, sondern, wie man ihn wertvoller macht. Darunter fallen Maßnahmen wie etwa: verschiedene Medien einsetzen, Teilbarkeit ermöglichen, für Suchmaschinen optimieren, Thought Leadership in seinem Kompetenzbereich behaupten, planvoll vorgehen.
Seine Tipps für konzeptionelles Content Marketing enthalten die Standards (Ziele, Zielgruppen, Kanäle, Vervielfältigung, Monetarisierung). Zuletzt gibt er einen sehr interessanten Hinweis, den ich zitiere:
“(G)ute Content-Marketing-Kampagnen (gewinnen) im Laufe der Zeit dramatisch an Wert, da sie sich gegenseitig verstärken. Je länger Sie also damit warten, desto mehr potenzielles Wachstum werden Sie opfern und desto härter wird der Wettbewerb, dem Sie sich letztendlich stellen müssen.”
Mächtige Contentseiten (u.a. auch Blogs) erzeugen tatsächlich eine Art Sogwirkung. Das ist hauptsächlich der internen Verlinkung geschuldet, die mit passenden Ankertexten auf thematisch weiterführende Seiten verweist. Große Content-Seiten sind wie ein breit aufgespanntes Netz, das viele Suchanfragen auffängt und beantwortet.