Rhetorische Anarchien – zu Beilharz‘ kritischem Post auf Instagram

Felix Beilharz’ Statement zu diesem Vergleich auf Instagram: Berühmt sein bei Instagram ist genau wie reich sein bei Monopoly

“Ganz ehrlich: Der Satz kann nur von irgendeinem #boomer stammen, der keine Ahnung von Social Media hat und irgendwie latent neidisch und verständnislos auf die jungen Leute und das „Neuland“ guckt, ohne auch nur im Ansatz zu verstehen, was da abgeht…

Natürlich ist es mit Bekanntheit allein nicht getan. Ein bisschen Geschäftssinn und Marketing-Skills braucht es dann schon, um aus der Berühmtheit auch Kapital zu schlagen. Aber dann kann die vermeintlich wertlose Berühmtheit unglaublich wertvoll werden.”

Quelle: https://www.instagram.com/p/CQ_NHtXqxWY/

Beilharz geht bei dem kritisierten Spruch von einem total missglückten Vergleich aus. Betrachten wir den Fall einmal näher. Gewiss hat er Recht: Vor dem Erfolg als Influencer liegt Arbeit, konsequentes Verfolgen von Zielen, gutes Gespür für Marketing und Selbstmarketing und ein wenig Glück. Von daher ist Erfolg im Monopoly (abhängig von den Zufallszahlen, die mein Würfel anzeigt) doch nicht vergleichbar mit dem Erfolg eines/einer Influencers*in.

Die unendlichen Rhetorikwelten des Vergleichs

Ein Vergleich bringt zwei Themen, Ausdrücke, Schemata zusammen und setzt sie unter einem bestimmten Gesichtspunkt gleich. Dabei geht es nicht zu wie im Sinne einer logischen Identität. Vielmehr gleichen sich die beiden Bilder nur im Hinblick auf einen bestimmten Aspekt – oder sollen sich gleichen. Das Scharnier, das beide Bilder verbindet, ist das tertium comparationis. Dieses überträgt quasi eine bestimmte Vorstellung, ein semantisches Schema, von einem Bild ins andere.

Wenn der Transfer dabei nicht überzeugt, spricht man von einem schiefen oder missglückten Vergleich. Solche Vergleiche entstehen häufig in Fällen, in denen jemand gezwungen originell sein möchte. Das trifft u.a. auf Menschen zu, die in sozialen Medien unter Produktionszwang stehen. Oder  bei Politikern eines bestimmten Schlages.

Beginnen wir bei der Interpretation durch Felix Beilharz, was ist sein tertium comparationis? Nun, ganz eindeutig die pekuniäre Wertschöpfung. Bekanntlich kann man sich von Monopolygeld keine reale Ware kaufen, es ist Spielgeld, außerhalb seines kleinen Geltungsbereichs also wertlos. Dagegen sind die Einnahmen erfolgreicher Influencer real wertig und teilweise auch sehr ansehnlich.

Die Anarchie der Semiose

Möglicherweise hatte der “Schöpfer” dieses Spruches aber etwas anderes im Sinne. Wo könnte also sein tertium comprarationis liegen? Nehmen wir noch einmal den Ausgangspunkt von Monopoly: wer Glück (Erfolg) hat, rafft mit Mieten und Immobilien eine Summe an Spielgeld zusammen und treibt andere in den virtuellen Ruin.

Aber Ausbeutung passt nicht als Vergleichsmoment; denn Influencer mögen zwar für ihr Verhalten in die Kritik geraten, aber, oberflächlich gesehen, schädigen sie niemanden, indem sie ihn in den Ruin treiben (ob der Grad der Einflussnahme hinsichtlich des Nutzens der beworbenen Produkte angemessen ist, lasse ich hier einmal offen).

Wie könnte der Brückenschlag von Monopoly zu den Influencern anders interpretiert werden? Bewegen wir uns in der Strukturebene des Vergleichens noch einmal eine Ebene höher: Monopoly ist ein Spiel um Geld, um Spielgeld, das innerhalb des Spieles und seines Regelbereiches einen Wert hat. Auch das Spiel der Influencer bringt (viel) Geld ein; und auch sie sind in einem Spiel, das sie z.T. bewundernswert leicht und gekonnt spielen, indem sie sich den Regeln ihres Spieles (und der sozialen Medien) unterwerfen und z.T. auch ihre Regeln dort diktieren. Ihr Spiel erzeugt einen “Schein”, der die Arbeit und die Spielbedingungen dahinter verbirgt. Influencer zeigen kleine Ausschnitte einer im höchsten Grad idealisierten Welt.

Welches wäre das tertium comparationis in diesem Falle? Eine täuschende / lügnerische Diskrepanz zwischen dem Zeichen und seiner vorgespiegelten Wertigkeit. Dann wäre das tertium comparationis die semiotische Diskrepanz zwischen Signifikans (Monopoly-Geld/gesponserter Post) – Signifikat (Spielwert/vorgestellte Szene) – Interpretant (außerhalb des Spiels wertlos/ verführerische Schweinwelt).

Mit geht es hier nicht darum, für eine der Lesarten zu votieren. Vielmehr möchte ich zeigen, wie gerade solche kontextlosen Plakat-Sprüche in sozialen Medien zu bestimmten Schlussfolgerungen verleiten können. Oder verführen sollen. Zum Verschwörungsmythos ist es dann nur noch ein kleiner Schritt.

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