Vor kurzem erschien in Thomas Hutters Blog ein Beitrag von Markus Edelberg zum Thema Authentizität, ein Thema das mich auch schon länger beschäftigt. Denn wie so manche Begriffe im Content Marketing ist dieser Begriff nich leicht zu fassen. Daher interessierte mich der Blogpost auch sofort.
Zitat: «Sei authentisch!» – Diese Aussage begegnet uns in den sozialen Netzwerken unentwegt. Aber was ist Authentizität überhaupt? Jeder Mensch orientiert sich – bewusst oder unbewusst – an sozialen Normen und Rollen, die als gesellschaftlich geteilte Verhaltenserwartungen in nahezu allen Situationen wirksam sind, in denen Menschen interagieren. Da erscheint es schwierig, ja beinahe unmöglich, wahrhaft authentisch zu sein. Für den Begriff der Authentizität gibt es mehrere Definitionen, von denen die etymologische Betrachtung die zielführendste ist: Der Begriff leitet sich vom Griechischen «authentikós» ab, wobei Autos «selbst» und ontos «sein» bedeutet.“
Zunächst zur Etymologie, die leider nicht korrekt ist: Es wäre doch zu schön, wenn authentikos von autos und ontos (seiend) stammte. Leider erklärt sie nicht, woher der Hauchlaut im Wort kommt, der dazu führt, dass das griechische tau in autos zu einem griechischen theta wird. Das liegt daran, dass mitnichten ontos für den zweiten Part verantwortlich zeichnet, sondern eine indogermanische Wurzel die etwa hanytein – vollenden – bedeutet. Allerdings ist das, was da vollendet wird mit eigenen Händen (autos), nicht immer freundlich. Denn der authentes konnte im Griechischen auch der Henker sein. Da bekommt dann das Authentische wirklich den Sinn des absolut fFnalen.
Eine verfehlte Etymologie muss nicht gleich bedeuten, dass der übrige Text sein Ziel verfehlt. Der Artikel beginnt mit vier Statements, die, sozusagen, die Basis der Authentizität darstellen. Bewusstsein = sich selbst gegenüber aufrichtig sein; Ehrlichkeit = die Realität anerkennen; Konsequenzen = konsequent und geradlinig handeln; Aufrichtigkeit = Größe auch bei seinen eigenen Fehlern zeigen.
Nun geht es ja um Social Media, also Texte und visuelle Medien. Der Autor will für uns anscheinend hier die Grundhaltung umschreiben, aus der sich dann die authentische Stilistik der Selbstdarstellung in sozialen Medien ergibt. Hierzu kommen nun sieben Tipps, die das Ich von Unaufrichtigkeit und falschem Showgehabe abhalten soll.
Sieben Tipps für (mehr) Authentizität
Eins: Werte leben. Das soll heißen, sein Handeln an bestimmten Regeln und Maßstäben ausrichten. Die Begründung, dass der “freie Wille” mindestens die Hälfte des Charakters ausmacht, ist allerdings eine abgründig steile These. Denn entweder sind es 100 % (Kant) oder 0% (Schopenhauer). Dass ein wertebewusster Mensch verlässlich ist, will ich dabei nicht in Abrede stellen.
Zwei: Pantha rhei – alles fließt. Nun kommt Heraklit, der Dunkle. Seine philosophische Einsicht soll dem Menschen helfen, offen für Veränderungen – oder sagen wir allgemeiner: offen für Neues und Anderes sein. Man hätte noch anfügen können: Die Auseinandersetzung mit Neuem fördert die Kreativität, die ja auch ein Element der Authentizität sein kann.
Drei: Sorge für Rollenklarheit – sei der, von dem die anderen erwarten, dass du es seist: Die Verpflichtung zur Rollen-Konformität steht allerdings m.E. im Gegensatz zu Punkt 2.
Vier: Authentizität bedeutet nicht Autonomie – hier ist allerdings Autonomie als pure Negativität einer Freiheit missverstanden. Nach Punkt 1 wäre aber auto-nomos – also der, der sich seine Regeln gibt, authentisch, weil wertebewusst …
Fünf: “Eine authentische Inszenierung ist eine Kontrolle des individuellen Verhaltens und stellt nur auf den ersten Blick einen Widerspruch in sich dar.“ Im Prinzip sagt das etwas Ähnliches wie 3.
Sechs: Vermeide gekünstelte Authentizität – Übermäßiges Streben nach Authentizität verdirbt den Eindruck, den es eigentlich hervorrufen will. Hier könnte noch ein griechischer Philosoph Spruchpate sein: meden agan – nichts zu sehr!
Sieben: Änderungen, auch Änderungen im Verhalten, der Haltung, der Kommunikation brauchen Zeit, um von der Umwelt verstanden zu werden.
Weshalb Authentizität in sozialen Medien solche Bedeutung hat
Die Sentenzen sind, wie auch immer sie begründet sein mögen, in ihrer Zielrichtung sicher immer wieder bedenkenswert. Sozusagen eine kurze, aber vielfältige Anweisung zur Selbstreflexion oder -kritik. Als ich den Titel des Beitrags las, hatte ich eine völlig andere Erwartung. Ich erwartete Tipps zum Erstellen von authentischem Inhalt. Tipps für authentische Stilistik. Noch bevor ich den Blogpost las, hatte ich mir schon vorab überlegt, wie man eigentlich einen authentischen Stil beschreiben kann. Worin besteht er. Wie kann ich ihn gewinnen, woran erkennen?
Ich hatte das “Social Media” beim Lesen im Geiste ergänzt: Social Media Content, Post usw. Dass es um eine Haltung geht, aus der heraus Social Media gestaltet werden, kam mir, sozusagen, erst im Zuge des Lesens. Und vor dem Hintergrund vielfältigen Missbrauchs der Publizität von Sozialen Medien ist der Artikel sehr zu begrüßen.
Blieb mir mein Problem: Worin besteht eigentlich authentischer Stil? In Wort und Bild. Hat es etwas mit dem Zusammenspiel der Sprachfunktionen zu tun. Oder mit der Fähigkeit der menschlichen Sprache, über sich selbst zu reflektieren, was Jakobson als Metasprachliche Funktion beschreibt?
Demnächst mehr.