Bekanntlich unterscheiden sich waagrechte Striche in Texten ja nach ihrer Funktion typografisch. Die gestalthafte Unterscheidung von Binde- und Gedankenstrich, das ist Typografische Semiotik in nuce.
Gedankenstriche öffnen im Textfluss einen Zwischenraum. Zwischen den Gedankenstrichen steht, syntaktisch meist eigenständig, ein kurzer Text. Er unterbricht und ergänzt den Gedankenfluss des gesamten Textes an dieser Stelle. (Andere Autoren wie z.B. Eco verwenden stattdessen lieber Klammern, weil ihre Zwischeneinwürfe für Gedankenstriche meist zu lang sind.) Der Gedankenstrich ist schmaler und länger als der Bindestrich und kann u.a. mit Hilfe der Tastatur erzeugt werden: bei gedrückter alt-Taste 0150 im Ziffernblock eingeben: –. Manche Systeme erraten auch, wenn es sich um einen Gedankenstrich handelt und konvertieren das beliebte Minuszeichen – automatisch in einen Gedankenstrich. Allerdings nicht zuverlässig.
Der Bindestrich als Trennungszeichen
Der Bindestrich ist kürzer und fester, wird also typografisch unterschieden. Allerdings wundere ich mich, weshalb er Bindestrich heißt. Bindestriche kennen viele westeuropäischen Sprachen – andere vielleicht auch, aber das entzieht sich meiner Kenntnis. Wenn der reveil-matin klingelt, ist es bald Zeit für den Check-out.
Das Deutsche weist allerdings eine Besonderheit auf, die andere Sprachen nur rudimentär kennen: die Komposita. Hier können, meist in einer genitivischen Verknüpfung, ziemlich viele Begriffe aneinandergehängt werden. Berühmt berüchtigt ist die Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsmütze, die immer noch verlängert werden kann; z.B. so: Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsmützenschirm.
Mir geht es aber hier gar nicht um diese Wortungetüme. Bindestriche helfen beim Lesen am Bildschirm. Besonders empfohlen sind sie, wenn Missverständnisse oder ungewöhnliche Konsonantenhäufung drohen. Z.B. beim “Staubecken” (Fall 1) oder beim „Instagrammotto“ (die beiden m hintereinander ergeben mit “gramm” einen möglicherweise ablenkenden alternativen Bedeutungskern). Also trenne ich der Lesbarkeit zuliebe solche Worte: Instagram-Motto. Deshalb sollte der Bindestrich doch eigentlich Trennstrich heißen.
Weiterer Einsatz des Trennungsstrichs/-zeichens
Was trennt der Strich denn noch? Bei der Kombination von Adjektiven z.B. ist der Trennungsstrich sinnentscheidend. Es ist halt ein Unterschied, ob ich bayrischstämmig (aus Bayern stammend) oder bayrisch-stämmig (= bayrisch + stämmig) bin.
Und am Ende einer Zeile kann der Trennstrich tatsächlich ein mehrsilbiges Wort trennen. Solche Trennzeichen in ihrer klassischen Funktion sind im Internet allerdings selten. Das liegt zum Einen daran, dass hier ein linksbündiger Flattersatz vorherrscht und die Auflösung des Ausgabegerätes die Textgestalt mitbestimmt. So könnten Trennstriche am Zeilenende durch auflösungsbedingtes Verschieben der Textelemente plötzlich mitten in den Text geraten.
Aber der Bindestrich hat auch sein typografisches Namens-Recht, nämlich da, wo er eine “Fernbindung” knüpft. So z.B. wenn ich über Block- oder Flattersatz schreibe, über Rechts- oder Linksverkehr usw.
Zugegeben: Typografisch gibt es keinen Unterschied zwischen Binde- und Trennstrich. Aber es ist ggf. ganz nützlich, dass man sich über die Funktion der Striche hinsichtlich der Lesbarkeit auch terminologisch Klarheit verschafft.