Vor kurzem las ich in dem Newsletter von 121watt (07.07.2020) folgenden Passus: “Ob dein Content sein Ziel erreicht und gut bei deiner Zielgruppe ankommt, kannst du anschließend anhand verschiedener Kennzahlen überprüfen. Eine niedrige Absprungrate gepaart mit einer langen Verweildauer sprechen zum Beispiel dafür, dass sich deine Nutzer intensiv mit deinen Inhalten auseinandersetzen und du ihre Bedürfnisse richtig adressierst.”
Selbstverständlich wissen Alexander Holl und sein Trainerteam es besser, als ihre plakative Aussage hier vermuten lässt.. Denn Absprungrate und Verweildauer sind sehr grobe Kennzahlen für das Besucherengagement. Für mich gaben sie einen Anlass, über das Messen des Engagements, die die Besucher Seiten-Inhalten widmen, etwas detaillierter zu schreiben.
Bouncerate hoch – alles nichts – oder?
Oft scheint das Publikum undankbar zu sein; denn trotz vieler Zugriffe auf die Seiten verlassen die meisten Besucher die Seite wieder ohne weitere (gemessene) Reaktion. Was tun in einer solchen Situation, wo Absprünge und Absprungrate so hoch sind? Im Folgenden geht es darum, die Besucherreaktionen aus dem „Alles-oder-nichts-Prinzip“ herauszuführen und detaillierter zu betrachten, wie sie mit den Seiteninhalten interagieren. So kann ich als Seitenbetreiber prüfen, ob eine packendere Zwischenüberschrift mehr Engagement erzeugt, ob ein Video den Aufenthalt verlängert (oder verkürzt). Oder genügt es schon, den Text besser als kleinere Absätze zu strukturieren, in denen dann die wesentlichen Kernbegriffe hervorgehoben sind? Unabhängig davon, ob ein Besucher im strikten Sinne dann abspringt oder nicht, sollte ich das Besucherverhalten genauer ins Visier Blick nehmen.
Mobile oder nicht, das ist hier die Frage!
Beim Messen des Besucherengagements sollte von vorneherein der Gerätetyp im Blick behalten werden. Dass mobile Besucher ein anderes Verhalten an den Tag legen als Desktopbesucher, ist Gemeinplatz. Wichtig ist mir, dass tatsächlich – beim Messen des Besucherverhaltens zum Inhalt – Desktop- und Mobile-Besucher durch Segmente getrennt werden. Sonst vergleiche ich die berühmten Birnen mit den nicht minder berühmten Äpfeln. Das ist vor allem bei der dritten Messmethode entscheidend, welche die Länge des Textes als Messlatte nimmt.
Absprung und Verweildauer – 100% und 0 Sekunden
Die Absprungrate ist so gesehen, je nach Typ der Landingpage, ein sehr grobes Messwerkzeug. Sie sagt wenig – zu wenig – aus über das Engagement eines Besuchers, das er der betreffenden Seite widmet. Der Grund liegt in der Funktionalität des Messinstrumentes, den clientseitigen Trackingstools wie Matomo (Piwik) oder Google Analytics. Da die Besuchsdauer erst ab der ersten Interaktion des Besuchers mit der Webseite gemessen wird (indem die Zeitstempel des Eintritts und der ersten Interaktion miteinander verglichen werden), wird die Besuchsdauer bei einem Absprung mit 0 gemessen – mangels eines weiteren zeitlichen Bezugspunktes. Gerade Blogs verzeichnen häufig eine hohe Absprungrate. Blogs ranken gerade für Longtail-Suchanfragen oft sehr gut, da in ihnen bestimmte Fragen detailliert behandelt werden. Findet der Besucher zum Blogartikel, findet er dort oft auch die Lösung – und verlässt, um neues Wissen bereichert, die Seite.
Dem Leser auf der Spur – Techniken zur Messung des Besucherengagements
Was kann der Betreiber einer Seite tun, um das Engagement seiner Besucher trotz hoher Absprungraten (Bouncerates) genauer zu messen? Bei der Darstellung geht es mir weniger um die technischen Details – hierüber kann man sich auf einschlägigen Seiten auf dem Laufenden halten. Linktipps dazu finden Sie weiter unten. Mir geht es um die strukturelle Anwendung der Trackingmöglichkeiten – bezogen auf die Beurteilung und die Wirkung von Maßnahmen im Content Marketing.
Es gibt generell mehrere Möglichkeiten, das Besucher-Engagement auf einer Seite zu messen. So können Sie
- Besucher zu einer Aktion veranlassen, wobei diese Aktion im Trackingtool erfasst wird,
- die Besuchsdauer durch regelmäßiges Auslösen eines Ereignisses (so genannter Heart Beat Timer) erfassen, oder
- messen, welche Contentblöcke gelesen werden (Contenttracking), bzw. wie weit ein Besucher die Website herunter scrollt, um die unteren Seitenbereiche anzusehen.
- Call to Action – das ist sich die ungenaueste Methode, da nicht sicher ist, ob der Besucher der Call to action folgen will. Eine Call to action könnte ein Kommentar sein, das Betrachten eines Videos im unteren Textbereich, das Vergrößern eines Fotos, das Liken des Artikels über einen Button am Ende des Textes. Da es sich hier um seiteninterne Aktionen handelt, müssen solche Aktionen mit Hilfe des Ereignistrackings oder virtueller Seitenaufrufe erkannt werden.
- Heartbeattimer: Diese Methode senkt zwar nachweislich die Absprungrate, allerdings belastet sie auch die Server (z.B. den eigenen Server bei Matomo, bei Google hätte ich da keine Bedenken). Zum anderen sollte man die Zeitspanne, nach der ein Ereignis ausgelöst wird, nicht opportunistisch knapp wählen. Das verfälscht ebenso die Qualität des Ergebnisses. (Ein Kunde von mir hatte sie auf 0 gesetzt – die Konsequenz war: die Absprungrate lag bei sagenhaften 0 %!)
- Content-Tracking: Man sollte meinen, dass die dritte Methode die beste ist, allerdings funktioniert sie letztlich nur in Abhängigkeit des Ausgabegeräts und der Länge des Artikels. Seiten, die mit dem Browserfenster identisch sind, wird es wohl eher bei Besuchern vom Desktop geben. Ist der Anteil der mobilen Besucher also größer, ist diese Methode generell auch bei kürzeren Texten sinnvoll.
Ereignistracking mit Matomo und Google
Herkömmliche Trackingtools wie Matomo oder Google Analytics basieren auf dem Wechsel des URI, wenn ein Besucher von einer Seite zur nächsten navigiert. Viele Besucher-Aktionen erzeugen aber keinen solchen Wechsel und bleiben in den Reports zunächst verborgen. Mit Hilfe des so genannten Ereignistrackings ist es möglich, solche Aktionen wie z.B. das Ausfüllen und Absenden eines Kontaktformulars, den Anruf mit dem Smartphone oder das Abspielen eines Videos als Ereignis zu erfassen. (Dies wäre auch als virtueller Seitenaufruf möglich; da dieser aber einige Nachteile hat, kommt er hier nicht in Betracht).
Ereignisreports bei Matomo & Google
Die Reports für Ereignisse stehen unter Verhalten => Ereignisse (bei beiden Tools). Hier der Screenshot von demo.matomo.org. Sie sehen hier, dass es drei Ebenen gibt, die eine Hierarchie bilden: Oben steht die Kategorie, darunter die Aktion, der der Name folgt. Die Reports selbst sind ineinander verschachtelt, hier die Kategorienansicht in Matomo:
Und hier die Aktionsebene von Play, die sich auf Kategorie MediaVideo bezieht:
Quelle: https://demo.matomo.org/
Der Aufbau der Ereignisreports
Die Reports sind – wie oben erwähnt – ineinander verschachtelt. Es schadet deshalb nichts, wenn man sich vor dem Einsatz des Eventtracking über Kategorien, Aktionen und Namen Gedanken macht. Letztlich ist es eine Frage der Content-Marketing Strategie, mit welchen Kennzahlen ich konkret die Besucherreaktionen messen will, ob und wie tief ich ins Detail gehe, oder eben nicht. Zu bedenken ist hier auch, ob in Zukunft eine detailliertere Erfassung nötig sein wird. Wenn dann der Kategorienbaum und die Erfassungsstruktur umgeworfen werden, bleiben zwar die alten Reports erhalten, aber die kontinuierliche Messung ist dann erst wieder ab der geänderten Kategorien-Aktionen-Namen-Struktur möglich.
Da die Ereignisreports hierarchisch aufgebaut sind, kann man durch konzise Begriffsvergabe bestimmte Besucheraktionen unter Kategorien gruppieren (z.B. Formularsenden, Video ansehen) und unter Kategorie bzw. Namen dann verfeinern z.B. Aktion: Click (zugegeben banal) und Name z.B. der Name der sendenden Website. Der Parameter Aktion muss aber nicht unbedingt immer der Aktion entsprechen, sondern kann auch zu einer weiteren inhaltlichen Differenzierung der Aktionen dienen. Beispiel: Kategorie Video => alle Videos, Aktion Videoname => bestimmtes Video, Name Auslösende Seite => Ort der Aktion. Bei großen Websites empfehle ich eher, z.B. bei Produktvideos die oberste Kategorienebene schon in Produktkategorien aufzuschlüsseln, um den besseren Überblick zu behalten.
Wie werden die Parameter des Eventtrackings erfasst?
In Matomo steht hierfür die JavaScript Funktion trackEvent zur Verfügung, die auch als Snippet direkt in den Quellcode eingefügt werden kann. Hier ein Beispiel für das Eventtracking für das Absenden eines Formulars:
<button type=”submit” onclick=“_paq.push([‚trackEvent‘, ‚Kategorie‘, ‘Aktion‘, ‘Name’, Wert);“>Senden</button> (Name und Wert sind optional)
In Google Analytics innerhalb der gtag Bibliothek sieht das Eventtracking so aus:
<button type=”submit” „onClick=“gtag(‚event‘, ‚Kategorie‘, ‘Aktion‘, ‘Name’, Wert);“>Senden</button>
Snippets belasten Server – und humane Ressourcen
Ich will hier nicht verschweigen, dass der Weg über singuläre Snippets heute nicht mehr der üblichste ist, zumal etliche JavaScript Snippets auch die Performanz der Seite beeinträchtigen. Der andere Punkt ist der, dass diese Snippets nicht zentral verwaltet werden, sondern direkt im Quellcode, was einen erheblichen Mehraufwand bedeuten kann. Last but not least haben viele CMS eine Art Selbstreinigungseffekt, der eingeschriebenes Javascript wieder entfernt. Die letzte Nothilfe bestünde darin, den Code direkt in die Datenbank zu schreiben, was nun wirklich zu viel Aufwand bedeutet.
Vorteile des Tag Manager
Mittlerweile ist der Tag Manager hier die gefragte Lösung; dazu bieten sowohl Google als auch Matomo eine Tag Manager Umgebung an. Über diese Umgebung werden alle Snippets zentral verwaltet. Dort kann dann auch mit Hilfe von CSS Klassen und IDs ein gezieltes Ereignis Tracking aufgesetzt werden. Anweisungen zum Eventtracking mit Google und Matomo gibt es viele. Diese Beschreibung (auf Englisch für Google Universal) fand ich sehr gut: https://www.optimizesmart.com/event-tracking-in-google-tag-manager-v2-complete-guide/
Für Matomo: https://www.udotrautmann.de/tracking-mit-dem-matomo-tag-manager-teil-2/
To be continued
Hallo Gerd,
ja und du hast natürlich recht. Das war ein wenig plakativ, weil die Absprungrate und die Sitzungsdauer Indikatoren sind. Und beide wissen wir ja um die Einschränkungen der Messung dieser zwei Metriken in Google Analytics. Interessant sind vielleicht aber nie die absoluten Werten, sondern die Einordnung der Werte unter „ähnlichen“ Bedingungen. Mit ähnlichen Bedingungen meine ich z.b. ich „gleicher Seitentyp (Blogartikel)“ unter Betrachtung verschiedenerer Segmentierungsansätze. Danke für die nette Erwähnung. Alexander
PS: Interessanter Artikel
Hallo Alexander,
gerne geschehen und vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ja da stimme ich zu, dass man die Metriken nach typisierten Seiten erheben sollte, um sich sein Urteil auf Basis vergleichbarer Werte zu bilden. Letztlich müssen wir in der Webanalyse häufig mit Kompromissen auskommen. Viele Grüße Gerd